Mittäterschaft beim Betrug im Wirtschaftsstrafrecht: BGH zu Zurechnung und Tatherrschaft

Der BGH hat 2025 entschieden, wann Hintergrundrollen im Wirtschaftsstrafrecht als Mittäterschaft beim Betrug gelten. Das Urteil zeigt, dass auch organisatorische Beiträge Tatherrschaft begründen können. Der Artikel erklärt die dogmatischen Kriterien und ihre Bedeutung für die Verteidigung.

BGH, Urteil vom 08.04.2025 – 1 StR 372/24

Betrug, Mittäterschaft, Beihilfe im Wirtschaftsstrafrecht – wo verlaufen die dogmatischen Grenzen? Der Bundesgerichtshof hat am 8. April 2025 hierzu ein wegweisendes Urteil gefällt. In einem Fall bandenmäßig organisierten Callcenter-Betrugs korrigierte der 1. Strafsenat die landgerichtliche Einordnung als Beihilfe und qualifizierte das Verhalten des Angeklagten als Mittäterschaft beim Betrug. Für wirtschaftsstrafrechtliche Verfahren birgt das Urteil erhebliche Implikationen, insbesondere dort, wo arbeitsteilig agiert wird und die Zurechnungshürden hoch sind.

Der Sachverhalt: Logistik beim Schockanruf

Der Angeklagte war Teil einer Tätergruppierung, die sog. Schockanrufe durchführte: Ältere Menschen wurden unter dem Eindruck angeblicher Notlagen von Familienangehörigen zur Übergabe größerer Bargeldsummen gedrängt. Der Angeklagte selbst führte keine Anrufe. Seine Rolle bestand darin, die Abholer zu koordinieren und – über Drittpersonen – die Taterlöse an Hintermänner weiterzuleiten. Das Landgericht nahm mangels direkter Opferkontakte lediglich Beihilfe an. Der BGH bejahte hingegen Mittäterschaft beim Betrug im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB.

Dogmatische Grundlage: Mittäterschaft oder Beihilfe beim Wirtschaftsbetrug?

Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe zählt zu den komplexesten dogmatischen Fragen im Wirtschaftsstrafrecht. Entscheidend für die Zurechnung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH der gemeinsame Tatplan sowie ein Tatbeitrag, der auf Tatherrschaft oder zumindest wesentliche Mitverantwortung schließen lässt. Die physische Nähe zur Haupttat ist dabei kein zwingendes Kriterium.

Im vorliegenden Fall hob der BGH hervor, dass der Angeklagte durch die logistische Steuerung des Geldflusses eine zentrale Funktion innerhalb des Gesamttatgeschehens übernahm. Dies begründe eine funktionale Tatherrschaft – der Schwellenwert zur Mittäterschaft beim Betrug war damit überschritten.

Wirtschaftsstrafrechtliche Relevanz: Zurechnung strategisch denken

Gerade im Wirtschaftsstrafrecht stellt sich die Frage der Beteiligungsform regelmäßig: In Verfahren wegen Subventionsbetrug, Abrechnungsbetrug oder § 266a StGB geraten nicht selten Personen ins Visier, die keine unmittelbaren Kontakte zu Geschädigten hatten. Häufig betrifft das formelle Geschäftsführer, Compliance-Beauftragte oder externe Berater.

Das Urteil zeigt: Auch wer „im Hintergrund“ agiert, kann strafrechtlich als Mittäter beim Betrug eingeordnet werden – wenn sein Beitrag das organisatorische Rückgrat der Tat bildet. Verteidiger müssen deshalb frühzeitig aufzeigen, ob ihr Mandant eine eigenverantwortliche Steuerungskompetenz hatte oder lediglich berufstypisch und weisungsgebunden handelte.

Bei Strohmanngeschäftsführern kann das Fehlen faktischer Einflussnahme und Tatherrschaft gegen eine Mittäterschaft sprechen. Umgekehrt reicht es nicht aus, sich auf eine formale Rolle zurückzuziehen, wenn dort erhebliche Steuerungsfunktionen ausgeübt wurden.

Weiterführend: Strafanzeige gegen Unternehmer wegen Betrugs

Fazit

Wirtschaftsbetrug. Entscheidend ist nicht die Nähe zur Ausführungshandlung, sondern die funktionale Einbindung in das Gesamttatgeschehen. Für die Verteidigung gilt: Beteiligungsform dogmatisch sauber einordnen, wirtschaftsstrafrechtliche Besonderheiten erfassen – und Tatherrschaft überzeugend bestreiten, wo sie fehlt.

Autor
Felix Haug
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht und Unternehmsverteidigung
  • Kanzlei am Kurfürstendamm in Berlin

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